Donnerstag, 17. Juni 2010

Hält auch Kaffeeflecken ab

Was zeichnet eine gute Comic-Rezension aus? Welche Ansprüche kann man an einen Text haben, der sich mit graphischer Literatur auseinandersetzt? Wie bewertet man einen Comic objektiv? Ist das überhaupt möglich? Der Versuch, diese Fragen zu beantworten, geht meistens in eine Diskussion über. Dabei stößt man stets auf das allgemeinere Problem, wie Kunstwerke grundsätzlich zu bewerten sind - und ob das überhaupt möglich ist.

Wer einen Comic rezensiert, stellt sich also einer großen Herausforderung. So auch Matthias H., der für splashcomics.de den ersten Band von Roland, Ritter Ungestüm besprochen hat, jüngst erschienen bei Cross Cult.

Soviel lässt sich verraten: Der Band hat dem Rezensenten offensichtlich gut gefallen. Er beschriebt ihn als "höchst unterhaltsam" und "schön anzuschauen" und schließt mit dem Satz: "A job very well done!" Ganz offen und ehrlich: Ich kann solch banales Gewäsch nicht besonders lange ertragen. Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass es der Sprache des Autors an Aussagekraft und Präzision mangelt (um es vorsichtig auszudrücken).

Offensichtlich ist er sich dessen bewusst und versucht mit aller Kraft, sich der selbst geschaffenen Leere seiner Worte entgegenzustemmen. So reichert er seinen Text mit verunglückten Superlativen und Metaphern an, bis dieser auf einen Umfang von ca. zwei (in Zahlen: 2!) DIN A 4-Seiten angeschwollen ist. Viel hilft viel - oder nicht? Am Ende frage ich mich ernsthaft, ob der Rezensent den Comic überhaupt gelesen hat - oder nur die Pressemitteilung. Und ich wundere mich: Wie kann einer so viel schreiben, ohne etwas zu sagen? Wer etwas über Roland, Ritter Ungestüm erfahren will, ist mit diesem Text schlecht bedient. Sein Hirn wird mit monotonem Fan-Gebrabbel verkleistert. Und das war's.

Einen gewissen Unterhaltungswert hat die Rezension von Matthias H. trotzdem. Denn es hat den Anschein, als ob der Autor nicht wüsste, dass man sich hinter einem Text, der Kunst bewerten und hinterfragen soll, nicht verstecken kann. Der Rezensent selber ist in seiner Rezension präsent, ob es ihm nun passt oder nicht. Manche Autoren besitzen die Fähigkeit, sich sehr weit in einem Text zurückzunehmen, manch andere preschen mutig voran und stellen sich selbst deutlich in das Geschehen hinein. Beides eine Frage des Geschmacks und der persönlichen Veranlagung.

In der Rezension von Roland, Ritter Ungestüm scheint sich Matthias H. unfreiwillig selbst darzustellen. Oder, das ist die Alternative, er konstruiert ein witziges Alter Ego, das nicht er ist, das er nur für den Moment sein soll. Dieses Alter Ego soll mich als Leser möglichst gut unterhalten und durch den Text führen. Wenn es so gemeint ist, dann ist es brillant!

Gehen wir ins Detail. Der Rezensent sucht ein positiv besetztes Bild und vergleicht den Comic-Band mit "Fotos [...], die Freunde aus dem Urlaub mitbringen". So schlimm? Nein, der Autor meint das tatsächlich lobend. Ist der Rezensent privat etwa Verursacher unendlich langweiliger Dia-Abende, mit denen er seinen Bekanntenkreis zu quälen pflegt? Kann es etwas Spannenderes geben, als drei Wochen Urlaub auf Borkum Revue passieren zu lassen? Wenn man gar nicht dabei war?

Weiter geht's. Man sitzt am Strand und eine Frau im Bikini geht vorbei. "Dann quellen einem die Augen über und man kann den Blick nicht losreißen." Oh, hier wird es gruselig. Ist der Rezensent ein lüsterner Gaffer?

"Der Buchrücken ist so konzipiert, dass alle Bücher nebeneinander gestellt, ein zusammenhängendes Motiv ergeben" Re-vo-lu-tio-när! Wie sind die Jungs bei Cross Cult nur auf diese findige Idee gekommen? Ach ja, das gibt's schon seit den Neunzigern bei den Lustigen Taschenbüchern, ich vergaß...

Grandios auch die Oberfläche des Buchdeckels, "so robust, dass sie auch Kaffeeflecken mühelos abhält. Einfach mit einem feuchten Lappen drüber wischen, und der Roland glänzt wie neu." Ha! (Das steht da wirklich...) Der ultimative Comic-Test: Kaffee drüber, abwischen. Wenn Flecken zurückbleiben, ist der Comic scheiße. Ich habe Tränen in den Augen vor Lachen und lese weiter.

"...wirkt wie Balsam auf die [...] Sehorgane." Balsam ist ein Gemisch aus Harz und ätherischem Öl. Das Zeug in die Augen? Tut doch weh.

Jetzt geht es um das grobe, dicke Papier des Bandes. "Diese fast schon haptische Wahrnehmung, als wäre man blind und würde trotzdem durch Blättern und Fühlen die Zeichnungen sehen." Ein Comic ist gut, weil er sich anfassen lässt? Was ist das nur für ein Unfug! Nicht der Comic, sondern der Leser verfügt über eine haptische Wahrnehmung. Und die kann er bei jedem Ding anwenden, das sich berühren lässt, nicht nur bei diesem Comic. Und ich vermute, dass ein Mensch, der blind ist, nicht in der Lage ist, die Zeichnungen in diesem Band mit seinen Fingerspitzen zu erfühlen. Ganz egal, wie gut oder schlecht sie gezeichnet sind. Es sei denn, er heißt Daredevil...

Ich fasse zusammen: Der Rezensent (oder das Alter Ego des Rezensenten) liebt es, sich Urlaubsfotos anzusehen, halbnackte Bikinischönheiten anzustarren, kennt das Lustige Taschenbuch nicht, kippt gerne mal Kaffee über seine Lieblingscomics, schmiert sich irgendwelches Zeug in die Augen und hat übernatürliche, haptische Kräfte.

Ich möchte an dieser Stelle klarstellen: Ich hege keinen Groll gegen den Rezensenten, kenne ihn nicht einmal. Und ich kenne Roland, Ritter Ungestüm nicht, habe ihn nie gelesen. Aber ich lese Comic-Rezensionen im Internet. Ich wische mir die letzten Tränen aus den Augen. Mein Lachen beruhigt sich. Allmählich kehrt der Ernst der Lage in mein Bewusstsein zurück. Zurück zur Eingangsfrage: Was zeichnet eine gute Comic-Rezension aus? Ich habe keine Ahnung. Aber ich weiß, wann eine Rezension schlecht gemacht ist. (Bitte, Bernd, wenn Du das hier liest: Nimmt diesen Müll aus dem Netz! Oder redigier das anständig!) Comics verdienen bessere Besprechungen als sowas.

Link: Rezension Roland, Ritter Ungestüm

3 Kommentare:

Frau Kirschvogel hat gesagt…

Oh la la, der gute Mann muß ja wirklich ein Machwerk sondergleichen fabriziert haben, wenn er Dich zu so einer ausführlichen Reaktion inspiriert hat...

:D

Michael Vogt hat gesagt…

Die Rezi einer Rezi. Sollte es öfters geben. ;)

Christopher Bünte hat gesagt…

Hatte mit dem Autoren ausführlichen eMail-Kontakt. Ich erwarte nun die Retour-Kutsche. Gibt ja auch genügend Geschreibsel von mir im Internet, über das man sich hermachen kann...